Station

Tunnel-Nachzeichnung

Tunnel-Nachzeichnung im Boden

© Stiftung Berliner Mauer

An dieser Stelle gruben Fluchthelfer 1963/64 zwei Fluchttunnel Richtung Ost-Berlin. Die Tunnel hatten ihren Ursprung im Keller einer Bäckerei in der Bernauer Straße 97. Im Westteil der Stadt also. Das Haus gibt es heute nicht mehr, an seiner Stelle stehen Neubauten aus den 1970er Jahren. Nach fünf Monaten Bauzeit war der erste Tunnel fertig – im Januar 1964. Jedoch endete er unplanmäßig auf einem Kohlenplatz direkt hinter den Grenzsperren. Er lag somit im Sichtfeld der Grenzer. Bevor er entdeckt wurde, konnten noch drei junge Frauen durch diesen Tunnel fliehen. 

Wenige Monate später nutzten die Tunnelbauer denselben Keller für einen zweiten Versuch. In einer Tiefe von etwa zwölf Metern gruben sie einen Tunnel bis zur Strelitzer Straße 55. Am 3. und 4. Oktober 1964 gelang hier 57 Menschen die Flucht. In der zweiten Nacht wurde der „Tunnel 57“ verraten. Es kam zu einem Schusswechsel zwischen Grenzsoldaten und einem Tunnelgräber. Dabei starb der Unteroffizier Egon Schultz. Einer seiner Kameraden hatte ihn versehentlich getroffen. Die SED verheimlichte diese Umstände und stilisierte Schultz zu einem Helden. Sie benannte ein Grenzregiment, Schulen und Straßen nach ihm. Zum Beispiel die Strelitzer Straße. Schultz' Angehörige und die Öffentlichkeit erfuhren erst nach 1989, dass der tödliche Schuss nicht von einem Fluchthelfer abgefeuert worden war.

Nachzeichnungen des Verlaufs der beiden Tunnel sehen Sie vor sich im Boden.

In der Bernauer Straße gab es in den Jahren 1962 bis 1971 mindestens zehn Fluchttunnel, aber nur drei konnten erfolgreich genutzt werden. Viele Tunnelprojekte scheiterten aufgrund der schwierigen Baubedingungen, aber auch durch Verrat und Gegenmaßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit. So verlegte das MfS im Grenzstreifen Abhöranlagen und baute selbst Tunnel, die quer zu den erwarteten Fluchttunneln lagen. Ein solcher Gegentunnel des MfS ist ebenfalls im Boden nachgezeichnet.

Den dritten erfolgreichen Tunnel gruben West-Berliner Studenten 1962 aus dem Keller einer Fabrikruine in der Bernauer Straße 78. Wassereinbrüche erschwerten die Grabungen und brachten das Unternehmen fast zum Scheitern. Am 14. September 1962 erreichten die Tunnelbauer dann aber doch den Keller der Schönholzer Straße 7. In zwei Nächten krochen 29 Flüchtlinge durch Schlamm und einsickerndes Wasser nach West-Berlin. Ihre Ankunft dokumentierte ein Filmteam des US-Senders NBC. Die Bilder der dramatischen Flucht gingen um die Welt. Das MfS erfuhr aus der westlichen Presse von dem Tunnel. Es entdeckte ihn elf Tage später, als in einem Hinterhof im Grenzgebiet der Boden einsackte.