Station

Sprung über den Stacheldraht

Brandwand Conrad Schumann

© Stiftung Berliner Mauer

Beim Blick auf die Brandwand vor Ihnen fällt sofort das weltbekannte Bild ins Auge: das Bild eines Grenzpolizisten, der über den Stacheldraht springt. Dieser „Sprung in die Freiheit“ ereignete sich in der Bernauer Straße.

Der Grenzpolizist Conrad Schumann war 19 Jahre alt, als er am Nachmittag des 15. August 1961 über die Stacheldrahtrolle an der Ecke Bernauer/Ruppiner Straße sprang. Der gelernte Schäfer aus dem sächsischen Zschochau war als Oberwachtmeister in Ost-Berlin stationiert. Seine Brigade war direkt an der Sektorengrenze in der Bernauer Straße eingesetzt, als am 13. August 1961 die vollständige Abriegelung begann. Während Conrad Schumann dort seinen Dienst versah, entschloss er sich zur Flucht.

Conrad Schumann springt über ausgerollten Stacheldraht

Flucht des Grenzpolizisten Conrad Schumann, 15. August 1961 © Polizeihistorische Sammlung Berlin

Am 15. August 1961 stand Conrad Schumann als Posten in der Ruppiner Straße – unmittelbar an der Grenzsperre aus Stacheldraht. Spontan entschied er sich, die Gelegenheit zu nutzen. In einem unbeobachteten Augenblick trat er die Stacheldrahtrolle etwas runter und gab anwesenden Fotografen auf der West-Berliner Seite ein Zeichen. Dort wurde seine Fluchtabsicht erkannt: Die West-Berliner Polizei positionierte einen Wagen wenige Meter vor dem Stacheldraht und ließ dessen hintere Tür offen stehen. Die Fotografen richteten ihre Kameras auf die anderen Grenzposten, damit diese sich wegdrehten und sich von der Grenze entfernten. Gegen 16 Uhr wagte Schumann den Sprung. Als die anderen Grenzposten sich umdrehten, sahen sie Conrad Schumann davonfahren. In einem West-Berliner Polizeiwagen, der sich mit hoher Geschwindigkeit entfernte.

Schumanns Flucht schlug hohe Wellen. Vertreter des Ministeriums für Staatssicherheit und der Volkspolizei einigten sich zunächst, die Flucht als Verschleppung darzustellen. Diese Darstellung war angesichts der umfangreichen Berichterstattung im Westen aber nicht lange haltbar.

Conrad Schumann blieb bis Ende September 1961 im West-Berliner Notaufnahmelager Marienfelde, dann wurde er in die Bundesrepublik ausgeflogen. In Bayern baute er sich eine neue Existenz auf. Das Bild von seinem Sprung wurde zur Ikone. Es verfolgte ihn bis an sein Lebensende – ebenso wie die Angst vor der Stasi. Seine Flucht bereute er nach eigenen Angaben nie. Aus unbekannten Gründen nahm er sich im Sommer 1998 das Leben.

Wie Conrad Schumann erkannten viele der Grenzposten bei ihrem Dienst an der Mauer die Unmenschlichkeit des Grenzregimes. Die Flucht in den Westen erschien oft als einzige Möglichkeit, sich dem Zwang zu entziehen, die Schusswaffe gegen Flüchtlinge einsetzen zu müssen. Trotz zahlreicher Gegen- und Überwachungsmaßnahmen kam es bis zum Fall der Mauer innerhalb der Grenztruppen zu zahlreichen Fluchtversuchen.