Station

Tunnelfluchten

Die Platten im Boden, die ihr hier seht, zeigen den Verlauf von zwei Fluchttunneln. Direkt nach dem Mauerbau 1961 versuchten viele Menschen an der Bernauer Straße oberirdisch zu fliehen. Als die Grenze immer stärker abgeriegelt wurde, gab es zunehmend unterirdische Fluchtversuche: Durch die Kanalisation, S- und U-Bahn-Tunnel und durch Tunnel wie diese. 

Tunnelschacht

Blick in den „Tunnel 57“, 1964. © BStU

Die zwei Fluchttunnel gruben Fluchthelfer 1963/64 vom Westteil der Stadt Richtung Ost-Berlin. Beide Tunnel hatten ihren Ursprung im Keller einer Bäckerei in der Bernauer Straße 97.

Für den ersten Tunnel, der als „Fluchttunnel 1964“ gekennzeichnet ist, brauchten die Helfer fünf Monate bis er fertig war. Leider endete er unplanmäßig auf einem Kohlenplatz im Sichtfeld der Grenzer. Nur drei junge Frauen konnten durch den Tunnel fliehen, danach wurde er von den Grenzern entdeckt und konnte nicht weiter genutzt werden. 

Mann mit Kind im Schacht

Fluchthelfer helfen dem dreijährigen Jörg Klein aus dem "Tunnel 57" in die Freiheit. © Stiftung Berliner Mauer, Schenkung von Doris Herrmann

Wenige Monate später nutzten die Fluchthelfer denselben Keller in der Bäckerei im Westen Berlins für einen zweiten Versuch. Diesmal gruben sie den Tunnel tiefer, etwa zwölf Meter unter der Erde. Am 3. und 4. Oktober gelangten nachts insgesamt 57 Menschen in die Freiheit. Ihre Zahl gab dem Tunnel seinen Namen: Tunnel 57.

In der zweiten Nacht wurde der „Tunnel 57“ verraten. Es kam zu einem Schusswechsel zwischen Grenzsoldaten und einem Tunnelgräber. Dabei starb der Unteroffizier Egon Schultz. Einer seiner Kameraden hatte ihn versehentlich getroffen. 

Pistole Museumsobjekt

Pistole der Fluchthelfer vom "Tunnel 57". © Stiftung Berliner Mauer

Die DDR-Führung verheimlichte diese Umstände, stilisierte Schultz zu einem Helden und machte die Fluchthelfer für den Tod verantwortlich. Schultz` Angehörige und die Öffentlichkeit erfuhren erst nach dem Fall der Berliner Mauer 1989, dass der tödliche Schuss nicht von einem Fluchthelfer abgegeben worden war.

In der Bernauer Straße gab es in den Jahren 1962 bis 1971 mindestens zehn Fluchttunnel, aber nur drei konnten erfolgreich genutzt werden. Viele Tunnelprojekte scheiterten aufgrund der schwierigen Baubedingungen, aber auch durch Verrat und Gegenmaßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit.

Mann mit Kind im Schacht

Eva und Klaus Klein lebten vor 1961 in Ost-Berlin. Sie beschließen nach dem Mauerbau und der Grenzschließung mit ihrem 3-jährigen Sohn zu fliehen. Durch den Mauerbau verloren sie den Glauben an die DDR. Am 3. Oktober 1964 gelang es ihnen schließlich als Familie durch den "Tunnel 57" nach West-Berlin zu fliehen. 

Mann im Porträt

Joachim Neumann floh bereits im Dezember 1961 mit dem Pass eines Schweizers nach West-Berlin. Der Student in Bauingenieurwesen engangierte sich daraufhin als Fluchthelfer und grub an sechs Tunnel mit, von denen drei erfolgreich waren. Vor allem wollte er seine Freundin Christa in den Westen holen. Ihr gelang schließlich durch den "Tunnel 57" die Flucht. Joachim Neumann arbeitete später als Tiefbauspezialist im Tunnelbau. 

Frau im Porträt

Christa Neumann wollte nach dem Mauerbau nach West-Berlin fliehen. Ihr Freund und späterer Ehemann Joachim Neumann, der als Fluchthelfer Tunnel baute, wohnte bereits im Westen. Sie wollte bereits 1962 durch den "Tunnel 29" nach West-Berlin fliehen. Sie wurde jedoch kurz vorher verraten und musste daraufhin von April 1963 bis September 1964 in Haft. Kurz nach ihrer Entlassung gelang es ihr mit Hilfe von Joachim Neumann durch den "Tunnel 57" zu fliehen. Im Mai 1965 heirateten die Beiden.