Ihr steht jetzt in den Fundamenten der Bernauer Straße 10a. Hier standen früher Häuser an der Bernauer Straße. Die Grenze zwischen West- und Ost-Berlin verlief genau entlang der Häuserfront. Die Häuser standen in Ost-Berlin, der Bürgersteig davor gehörte bereits zu West-Berlin.
Das Leben in der Bernauer Straße änderte sich am 13. August 1961 mit dem Mauerbau schlagartig. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Grenzhäuser durften nicht mehr aus ihrer Haustür treten. Familien, Freunde und Nachbarn wurden über Nacht auseinandergerissen. Die Haustüren wurden vernagelt oder vermauert und die Eingänge auf die Rückseite verlegt.
Jörg Hildebrandt (* 17. Juli 1939) kam 1950 mit seiner Familie nach Berlin in die Bernauer Straße 4. Am Tag des Mauerbaus war er morgens um 6.30 Uhr am Zeitungskiosk und bemerkte den Menschenauflauf und die Absperrungsmaßnahmen. Im Herbst 1961 wurde er zwangsumgesiedelt. Auch seine spätere Frau Regine Hildebrandt (geb. Radischewski) lebte damals in der Bernauer Straße.
Die Häuser in der Bernauer Straße boten vielen eine gute Chance zur Flucht. Viele Menschen entschlossen sich zur Flucht. Sie kletterten aus den Fenstern im Erdgeschoss, seilten sich ab oder sprangen aus den Fenstern und von den Dächern. Die West-Berliner Feuerwehr leistete in den ersten Wochen nach dem Mauerbau mit Sprungtüchern Fluchthilfe.
Bis Oktober 1961 wurden alle Dagebliebenen aus ihren Wohnungen zwangsumgesiedelt, die Häuser später abgerissen. Mitte der 1960er Jahre stand nur noch der untere Teil der Fassade. Es waren daher diese Fassadenruinen, die das Bild der Bernauer Straße bis 1980 prägten. Dann schließlich wurden sie abgerissen und durch die neue Grenzmauer ersetzt.
Auch für die Menschen in West-Berlin war das Leben direkt an der Berliner Mauer nach 1961 nicht mehr so attraktiv wie vorher. Bezirke direkt an der Mauer wie Wedding und Kreuzberg wurden zu Randbezirken. Wer wegziehen konnte, tat das. Wohnungen wurden frei und es zogen Menschen an die Mauer, die anderswo keine Wohnung bekamen. Das waren in den 1960er Jahren vor allem Menschen, die aus der Türkei zum Arbeiten nach West-Berlin gekommen waren. So wurde das Leben an der Mauer auch zum Alltag für große Teile der türkischstämmigen Community West-Berlins.
Im Zuge des Grenzausbaus wurde die Versöhnungskirche 1985 auf Befehl der DDR-Regierung gesprengt. Davon zeugt das Turmkreuz, dass Ihr rechts neben der Kapelle der Versöhnung im Roggenfeld finden könnt. Es flog bei der Sprengung von der Spitze des Kirchturms und verformte sich durch die Wucht des Aufpralls.
Die Versöhnungskirche stand im Grenzstreifen, damit blieb sie für Gemeindemitglieder aus Ost- und West-Berlin nach dem Mauerbau unerreichbar. Heute steht am Ort ihrer Sprengung die Kapelle der Versöhnung, die in den Jahren nach dem Mauerfall errichtet wurde. Gemeindemitglieder wie Besucherinnen und Besucher der Gedenkstätte soll die Kapelle als Ort der Erinnerung und Andacht dienen.